Erfahrungsbericht
Vorwort
Im Mai 2007 durfte ich 1.1 juvenile Farmzuchten aus der Region “Ituri Forest“ übernehmen. Ich hatte zwar zuerst Bedenken, da es sich um Farmzuchten handelte, welchen in der Regel keine grossen Überlebenschancen zugesprochen werden. Meistens haben solche Tiere eine stressige Reise hinter sich und/oder bringen Parasiten mit. Umso erfreuter war ich, als ich die Tiere zum ersten Mal gesehen habe; zusätzlich zu der überwältigenden Farbenpracht waren die Tiere in einer super Form. Und wie sich im Laufe der Zeit herausstellen sollte, war der Kauf kein Fehler…
Beschreibung
Familie: Bitis
Art: Bitis nasicornis
Verbreitung: Südlicher Sudan, Uganda, Kenia, Kongo, tropisches Westafrika und Ruanda
Bitis nasicornis hat einen plumpen Körperbau mit einem massigen, sich vom Hals deutlich absetzenden, dreieckigen Kopf. Weibchen haben einen beachtlichen Körperumfang und erreichen eine Länge von bis zu 140cm, während die Männchen leicht schlanker und mit 60-80cm auch eher kleiner bleiben. Den Namen verdankt die Nashornviper den charakteristischen Nasalhörnern, von welchen die Tiere 2 bis 3 Paar auf der Schnauzenspitze tragen.
Roger Aeberhard schreibt auf www.snakeparadise.ch:
„Sie besitzt 15 bis 19 Oberlippenschilde, die von Auge durch 4 bis 5 Schuppenreihen getrennt sind. Von den 19 bis 20 Unterlippenschilde stehen die ersten 4 bis 6 mit dem vorderen Kinnschild in Kontakt. Die stark gekielten Schuppen umgeben die Körpermitte in 35 bis 41 Reihen. Die Anzahl der Bauchschilde beträgt 117 bis 137, die der Schwanzschilde 16 bis 32. Das Afterschild ist ungeteilt.“
Bekannt sind die Tiere jedoch vor allem für ihre intensive Farbenpracht. Besonders Jungtiere scheinen regelrecht gelb, rot und blau zu leuchten. Mit zunehmendem Alter nimmt die Leuchtkraft der Farben zwar ab, farbenprächtig bleiben die Tiere aber allemal. Da eine Beschreibung der komplexen Muster und Farben meine schreiberischen Fähigkeiten bei weitem übersteigt, folgen ein paar Bilder:
Farben der „Ituri-Forest“-Tiere
B. nasicornis ist vorwiegend am Boden, versteckt unter Büschen oder auf laubbedecktem Untergrund, zu finden. Obwohl man es ihnen aufgrund des plumpen Körperbaus nicht ansieht, können die Tiere durchaus auch im Geäst oder auf Bäumen angetroffen werden. Die Tiere liegen, wie für Grossbitis-Arten typisch, oft tagelang regungslos im Verborgenen und warten auf Beute. Wird ein Beutetier in ihrer unmittelbaren Umgebung wahrgenommen, schlagen sie blitzschnell zu und beissen sich in der Regel solange fest bis die Wirkung des Giftes einsetzt und beginnen anschliessend mit dem Fressen.
Ich durfte B. nasicornis als sehr ruhige Art kennenlernen. Die Tiere reagieren zwar mit dem typischen Kopfnicken bezw. Kopfschütteln wenn man sich in der Nähe des Terrariums aufhält, die lauten – für Bitis-Arten typischen – Fauchgeräusche sind aber nur ganz selten zu vernehmen. Letztere werden erst deutlich lauter und bedrohlicher, wenn man die Tiere aus irgendwelchen Gründen umsetzen muss. In diesen Situationen lassen die Tiere den Störenfried deutlich an ihrem Unmut teilhaben.
Aber auch wenn die Tiere einen eher gelassenen Eindruck machen, ist selbstverständlich immer Vorsicht geboten. Gerade Vipern der Bitis-Gattung können aus jeder Ruheposition blitzschnell und ohne jegliche Vorwarnung zuschlagen.
Allgemein gilt es die Tiere so wenig wie möglich zu stören und zu händeln. Natürlich lassen sich solche Situationen nie gänzlich vermeiden. Ich mache dies mit der 2-Hakenmethode. Grundsätzlich gestaltet sich das Händeln der Tiere (bis auf das erwähnte bedrohliche Fauchen) problemlos. Wichtig ist, dass die Tiere mit absoluter Ruhe und Konzentration umgesetzt werden.
Haltung
In den ersten drei Jahren sind die Tiere einzeln in Aufzuchtbecken mit den Massen 45x35x40 untergebracht. Als Bodengrund wird Kokoshumus verwendet. Eine Wasserschale, eine Kunstpflanze und eine Baumrinde als Unterschlupf runden die spartanische Aufzuchteinrichtung ab. In den Aufzuchtbecken werden die Tiere übrigens extrem dunkel gehalten. Nicht nur, dass ich keine zusätzlichen Leuchtmittel verwende, ich verdunkle die Becken sogar noch mit einem Tuch künstlich. Dies geschieht auf Empfehlung eines erfahrenen nasicornis-Halters, welcher seine Tiere sehr erfolgreich über Jahre so gepflegt hatte.
Wie die Jungtiere auch, halte ich meine adulten Tiere einzeln. Das Weibchen wohnt in einem Glasterrarium mit den Massen lxbxh 120x60x80, das Männchen in einem Glasterrarium mit den Massen 80x60x60. Wie unter 3.1.1 erwähnt halte ich Jungtiere sehr dunkel. Erst nach dem Umzug in die grossen Endbecken habe ich mich dazu entschlossen die Tiere unter einer Leuchtstoffröhre zu halten. Ob sich dieser Entscheid in den nächsten Jahren eher zum Positiven oder zum Negativen entwickelt, wird man sehen. Vielleicht wäre es ratsamer die Tiere weiterhin dunkel zu pflegen. Allerdings macht das Pärchen einen topfitten Eindruck und ich konnte nach dem Umzug von den dunklen Aufzuchtbecken in die deutlich helleren Terrarien keine Verschlechterungen irgendwelcher Art feststellen.
Als Bodengrund verwende ich in beiden Terrarien Walderde. Diese eignet sich hervorragend für Feuchtterrarien, da sie die Feuchtigkeit lange speichert und aufgrund des organischen Eigenlebens nicht schimmelt (Der Begriff “Feuchtterrarium“ ist für nasicornis-Becken sicher nicht optimal. Da ich die Becken durchschnittlich aber immerhin jeden vierten Tag ausgiebig besprühe, muss der Bodengrund trotzdem ziemlich viel aushalten). Kletteräste wurden im Wald zusammengesucht und auf die entsprechenden Grössen zurechtgesägt. Ich verwende Ahorn-, Eichen- und Buchenholz. Mit diesen Hölzern habe ich in Sachen Schimmel und Feuchtigkeit die besten Erfahrungen gemacht. Beim Umfang der Äste sollte darauf geachtet werden, dass sie mindestens dem Durchmesser der Tiere entsprechen. Um eine gewisse Stabilität zu erreichen, verbinde ich die Äste mit Kabelbinder.
Am Boden wurde das Becken nur mit Efeutute (Epipremnum und Scindapsus pictus) bepflanzt. Ich besitze zugegebenermassen nicht gerade den grünsten Daumen 😉.
Ich habe meine Tiere zwar noch nie daraus trinken sehen, aber auch Trinkgefässe am Boden sind vorhanden. Meistens trinken die Tiere aber die sich bildenden Tropfen nach dem Sprühen.
So sind adulte Tiere bei mir untergebracht; in dicht bepflanzten und hellen Terrarien
Klima
Wie bereits erwähnt, halte ich Jungtiere in Aufzuchtbecken (Plastikboxen). Unten in der Front und hinten im Deckel sind Luftlöcher vorhanden, damit die Luft, wie in Terrarien auch, zirkulieren kann und somit keine Stauluft entsteht. Jungtiere halte ich deutlich feuchter als die Adulten. Ich sprühe jeden dritten Tag ausgiebig lauwarmes Wasser, so dass eine Luftfeuchtigkeit von 60 bis 80% entsteht. Tagsüber herrschen Temperaturen zwischen 22 und 26 Grad, welche in der Nacht auf ca. 18 bis 22 Grad abfallen. In den Sommermonaten kann die Temperatur auch mal auf über 28 Grad ansteigen. Dann darf aber unter keinen Umständen gesprüht werden. Die Tiere quittieren extrem hohe Temperaturen in Verbindung mit einer hohen Luftfeuchtigkeit nicht selten mit dem Tod.
Adulte Tiere halte ich ebenfalls bei 22 bis 26 Grad tagsüber und bei 18 bis 22 Grad in der Nacht. Jedoch werden diese Tiere nicht so feucht gehalten wie die Jungtiere. Ich sprühe nur ungefähr jeden fünften Tag, allerdings auch sehr ausgiebig. Die Luftfeuchtigkeit liegt zwischen 40 bis 60%.
Ich wechsle das Wasser in den Trinkgefässen alle drei Tage. Die Gefässe selbst reinige ich nur einmal pro Woche. Bei extrem verschmutzten Gefässen z. B. durch Kot und Urin wird natürlich sofort gereinigt. Ich verwende dabei normalen Weissweinessig, welchen man auch z.B. für Salatsaucen benutzt. Lokale Verschmutzungen auf Ästen und Pflanzen werden mit Haushaltpapier und Wasser entfernt.
Ernährung
B. nasicornis sind normalerweise Lauerjäger, welche sich nicht wirklich viel bewegen. (Eine Ausnahme bildet vielleicht die Suche nach einem geeigneten Lauerplatz). Somit dauert auch der ganze Verdauungsvorgang etwas länger als bei Tieren, welche einen grösseren Bewegungsdrang haben. Es ist ratsam die Tiere nicht allzu oft zu füttern. Eine Überfütterung kann bei den Tieren ernsthafte Folgen wie Verdauungsprobleme oder Verstopfungen nach sich ziehen. Zudem verfetten die Tiere sehr schnell. Ein Fütterungsintervall von 6 bis 8 Wochen bei adulten Tieren hat sich bei mir bewährt.
In ihrem natürlichen Lebensraum ernährt sich B. nasicornis von kleineren Säugetieren wie Mäusen und Ratten.
Jungtiere füttere ich je nach Grösse mit Babymäusen oder Babyratten (Frostfutter). Bereits eine Woche nach der Geburt nehmen die Tiere das Futter problemlos ab Pinzette an. In der Regel füttere ich Tiere bis zu einem Alter von einem halben Jahr erst nach dem Abkoten erneut, jedoch nicht häufiger als einmal pro Woche. Zudem werden die Tiere einmal wöchentlich gebadet um zu garantieren, dass die Tiere trinken. Jungtiere gehen in der Regel nicht selbstständig an die Wasserschale. Ich konnte es zumindest noch nie beobachten.
Etwa ab einem Alter von einem halben Jahr füttere ich die Tiere erstmals mit Mäusespringer entsprechender Grösse. Bis zu einem Alter von ungefähr eineinhalb Jahren werden die Tiere alle zwei Wochen gefüttert. Danach werden die Futtertiere der Tiergrösse angepasst. Ab diesem Zeitpunkt wird dann nur noch alle 6 bis 8 Wochen gefüttert.
Zucht
Im Frühling 2010 habe ich die Tiere zum ersten Mal zusammengesetzt. Nach drei Monaten habe ich die Tiere wieder getrennt. In der ganzen Zeit konnte ich leider keine Paarungsversuche beobachten. Ich bin deshalb nicht davon ausgegangen, dass eine erfolgreiche Paarung der Tiere stattgefunden hat.
Am 12.06.2011 war ich deshalb schon sehr überrascht, als ich im Becken des Weibchens 4 topfitte Jungtiere entdeckt habe. Umso mehr, da ich dem Tier keine Schwangerschaft angesehen habe. Leider musste ich neben den Lebenden auch 4 Totgeburten und zwei Wachseier aus dem Becken fischen. Da es sich jedoch um die ersten Nachzuchten dieses Tieres handelt und die Mutter auch noch sehr jung ist, bin ich mit dem Resultat trotzdem super zufrieden.
Nachdem ich zuerst einmal mit einem breiten Grinsen die kleinen Würmer gezählt hatte, habe ich damit begonnen die Tiere einzeln in – mit Haushaltpapier ausgelegten – Plastikbecken unterzubringen. Gehäutet hatten sich die Tiere übrigens schon; Bitis nasicornis Babies häuten sich gleich nach der Geburt das erste Mal.
Da ich in der Zeit vom März bis Mai 2010 keine Paarungen feststellen konnte, gehe ich von einer Tragezeit von ca. 12 bis 13 Monaten aus, was für diese Art absolut normal ist. Die Tiere kommen lebend zur Welt und häuten sich – wie bereits erwähnt – unmittelbar nach der Geburt das erste Mal. Farblich unterscheiden sich die Jungtiere nur dadurch, dass ihre Färbung um ein vielfaches intensiver ist als diejenige der Adulten. Weiter sind die Nasalhörner noch nicht so ausgeprägt. Die Tiere sind zwischen 15 und 20 cm lang und weisen an der dicksten Stelle einen Durchmesser zwischen 12 und 15 mm auf. Gewogen wurden die Tiere nicht.
Die Geschlechter können bereits jetzt ziemlich sicher bestimmt werden. Wie bei Bitis-Arten üblich setzt sich die relativ kurz Schwanzspitze bei den Weibchen ab der Kloake deutlich ab, wogegen die Schwanzspitze bei den Männchen gleichmässig ohne Absatz ausläuft und eindeutig länger ausfällt.
Stand: 24.06.2011/cr